By the Grace of the Gods (Manga) (2025)

Diese Rezension ist entstanden, während der Manga noch nicht abgeschlossen war, und bezieht sich auf die ersten 36 Kapitel. Spoiler habe ich, wo es ging, vermieden, empfehle das Lesen aber trotzdem nur auf eigene Gefahr.

Mit Vertretern des Isekai-Settings verbinde ich inzwischen fast automatisch eine Reihe weiterer Handlungselemente: die Beschwörung der Protagonisten als Helden, das Training in Abenteurergilden und den epischen Kampf gegen dämonische Widersacher etwa. Oft scheint es, als käme mit der Entscheidung, die Hauptfigur in eine andere Welt zu senden, bereits ein immer gleicher Satz an Spielregeln für jenes neue Universum daher. Dass die Heldenroute nicht das einzige Kapitel in diesem Regelwerk ist, zeigen Manga wie »Kami-tachi ni Hirowareta Otoko«. Der Manga gehört mit seinem Start im Jahr 2017 zu den älteren Vertretern einer Reihe von Werken, die es ihre Protagonisten in der neuen Welt besonnener und im Kleineren angehen lassen. In der Regel ist ein solcher entspannter Ansatz bereits eine Stärke dieser Titel, führt manchmal aber auch dazu, dass das Interesse des Publikums nicht aufrechterhalten werden kann.

Im Eingang gibt sich der Manga zunächst recht standardkonform: Ein einsamer japanischer Büroangestellter Anfang vierzig schiebt jeden Tag Überstunden in seiner ausbeuterischen Firma, als er eines Nachts unerwartet im Schlaf stirbt. Seiner Seele erscheinen dann drei Götter einer anderen Welt, die ihn in selbiger ein zweites Leben beginnen lassen wollen. Zweck der Unternehmung ist nicht, eine bedrohliche Nemesis zu überwinden, sondern durch den Transfer die schwindenden Reserven magischer Energie vor Ort wieder aufzufüllen. Ryouma, dem Protagonisten, wird daher kein besonderer himmlischer Auftrag zuteil; er möge lediglich sein neues Leben in vollen Zügen genießen. Wiedergeboren im Körper eines achtjährigen Kindes, schickt er sich dann auch an dies zu tun.
Einen besonderen Platz in der folgenden Handlung, die erst nach einem Zeitsprung und mit dem ersten Kontakt zu anderen friedfertigen Menschen beginnt, nehmen Schleimmonster ein, die Ryouma zähmt, erforscht und im Alltag verwendet. Dem Kanon konform gelten diese Wesen auch in dieser Welt als schwach und für Zähmer magischer Wesen gar als unnütz; Ryouma gelingt es jedoch – ohne an dieser Stelle zu viel vorwegzunehmen –, den Wesen ihre verborgenen Fähigkeiten zu entlocken und sie mit Rückgriff auf das Weltwissen aus seinem früheren Leben vielseitig einzusetzen. In der Erforschung der Schleime und ihrer Fähigkeiten liegt eine der Stärken des Titels. Welche interessanten Eigenschaften Ryouma seinen gelierten Gefährten als nächstes entlocken könnte und wie er sich diese dann wohl zunutze macht – diese Fragen haben über weite Teile mein Interesse an dem Titel getragen. Über die Schleime hinaus sind bisher noch nicht übermäßig viele magische Wesen tatsächlich in Erscheinung getreten. Es scheint aber, dass hier neben bekannten Wesen wie Goblins, Drachen oder dem Fenrir auch neue Kreationen einen Platz haben: etwa die Cave Mantis, eine übergroße Gottesanbeterin, die in Höhlen haust und mit ihren Sicheln Tunnel graben kann.
An der Figurenfront sieht es leider etwas karger aus. Der Protagonist wird mit Abstand am ausführlichsten porträtiert, bleibt aber dennoch wenig interessant. Unterm Strich ist er ein unsäglicher Gutmensch, der in seinem ersten Leben wenig Liebe erfahren hat – bedauerlich, sicherlich – und nun unentwegt überrascht ist, wenn andere Figuren nett zu ihm sind. Einer der eingangs erwähnten Götter warnt ihn zwar, dass sich sein Charakter wieder dem eines Kindes annähern würde; viel davon bekommt man jedoch nicht zu spüren. Ein Faktor in Ryoumas Facettenlosigkeit mag sein, dass er so gut wie nie unlösbaren Problemen oder Gefahren gegenübersteht. Durch Vorwissen, Training und die Hilfe seiner Schleime ist er bislang jedem Hindernis problemlos gewachsen. Als Protagonist macht ihn das jedoch leider nicht attraktiv. Nach Ryouma wird noch am ehesten der Adelsfamilie Jamil eine Bühne für Charakterentwicklung geboten, die aber ebenfalls weitestgehend ungenutzt bleibt. Darüber hinaus wurden bislang keine Figuren von ernstzunehmender Wichtigkeit eingeführt. Zwar ist auf Handlungsebene in den bisher veröffentlichten Kapiteln nicht allzu viel Zeit vergangen und daher und auch mit Blick auf das offene Setting noch Raum nach hinten; in jedem Fall bleiben einschneidende Entwicklungen im Bereich der Figuren bislang aus.
Schließlich sei noch etwas zu den Zeichnungen gesagt, die wenigstens bei mir oft ausschlaggebend sind für den Grad des Lesevergnügens. Mangaka Ranran geht keine waghalsigen Experimente ein und bleibt des Designs aus der Vorlage treu. Die Zeichnungen und Figurengestaltungen sind in aller Regel in sich konsistent. Schönerweise ist durchaus auch eine Verfeinerung der Zeichnungen hin zu mehr Tiefe und Detailreichtum über den Verlauf der bisher erschienenen Kapitel zu erkennen. Für meinen Geschmack rutschte manche Szene zwar zu sehr in idealisierte Kawaii-Ästhetik ab, insgesamt sind die Zeichnungen jedoch sehr ansehnlich. Auch die magischen Wesen können sich bislang sehen lassen. Gerade die recht einfach gehaltenen Schleimmonster in großer Zahl und immerfort wieder zu zeichnen, muss ermüdend gewesen sein. Dennoch zeigt sich, dass der Versuch unternommen wurde, im Rahmen des Monsterdesigns Variation in die Zeichnungen einfließen zu lassen.

Unterm Strich liegt bei diesem Titel ein Vertreter des Isekai-Bereichs mit typischem Start, aber durchaus individuellerem Nachgang vor: Der Protagonist wird in eine neue Welt geworfen und bestreitet dort im Körper eines Kindes sein neues Leben. Das ist nicht vollständig ungefährlich; durch sein Vorwissen und das Training ist Ryouma allerdings bereits so stark, dass er sich bisher keinem ernstzunehmenden Hindernis gegenübersah. Stattdessen bekommt das Publikum optisch ansehnliche, aber seichte Abenteuerkost, die eher durch Ryoumas Erforschung der Schleime und seinen Ideenreichtum als durch spannende Konfrontationen geprägt ist. Derzeit noch ist das in dieser Form erfreulich, auf Dauer dürfte aber auch dieser Titel stärkere Herausforderungen, gefährlichere Gegner oder gar eine Reise in bislang unbekannte Regionen nötig haben, um interessant zu bleiben.